Tauchen und Strich 8 !?

.. oder: Im Auslandseinsatz das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden..

.. 2 im/vor dem Auslandseinsatz..

Vor ca. 1 ½  Jahren bekam ich eine e-mail aus Ägypten. Der seit Jahren dort lebende und als Tauchlehrer arbeitende Andy Titze benötigte per Ferndiagnose Hilfe für seinen 200er Benziner Bj. 75. Er hatte den Wagen ein knappes halbes Jahr zuvor für umgerechnet 3.140,- € in Ägypten gekauft. Die „neue“ Lackierung hatte laut Verkäufer in Kairo umgerechnet ganze 72,- € !! gekostet. Für europäische Verhältnisse unfassbar günstig – auch wenn man qualitativ doch schon sehr viele Abstriche machen muß.

Seit einiger Zeit aber lief der Motor mehr schlecht als recht und sein ägyptischer Mechaniker bekam das Problem auch nach Monaten nicht in den Griff.

Schlechter Kraftstoff und eine unzureichende Wartung (Ventilspiel/Vergaser-Einstellung u. ä.) wegen fehlender Daten, Werkzeuge oder gar unzureichender Kenntnis trugen mit Sicherheit ihren Teil dazu bei.

So gut ich konnte, versuchte ich Andy in diversen e-mails zu helfen, bis sich dann endlich nach einiger Zeit leichte Besserung einstellte. Ferndiagnosen sind halt grundsätzlich schwierig und irgendwann war klar, das optimale Hilfe eigentlich nur vor Ort möglich wäre......

.... vor Ort !?  –  Strich 8 !? -  tauchen !?  -  „Löffel-Liste“ !?

Ein ¾ Jahr reifte neben der vielen Arbeit in Krogaspe der Gedanke, Andy vor Ort zumindest nützliche Empfehlungen geben zu können, und dabei gleichzeitig einen noch nicht erledigten Punkt auf meiner „Löffel-Liste“ (.. Dinge, die man noch machen/erleben möchte, bevor man irgendwann den „Löffel abgibt..“) abzuhaken – man könnte auch sagen, daß der Pragmatiker in mir mal wieder einen gedanklichen „Volltreffer“ gelandet hatte.. ;o)

Tauchen lernen und dabei die Vorstellung nahezu schwerelos eine faszinierende Unterwasserwelt zu erleben, wie man sie nur aus Film und Fernsehen kennt, ist/war auf jeden Fall einer der Punkte auf meiner Liste.

Zwei Tatsachen trugen maßgeblich dazu bei, dieses Unternehmung in die Tat umzusetzen:

Zum einen bietet Andy im Gegensatz zu vielen anderen Tauchbasen auch Einzelkurse für 1 – 2 Personen an. Zum sonst allgemein praktizierten „Rudeltauchen“ ist so eine viel intensivere und persönlichere und, wie sich später herausstellte, auch sicherere Ausbildung möglich.

Darüber hinaus hätte man einen standesgemäßen „Shuttle-Service“ vom Hotel zur Tauchbasis und zurück in einem Strich 8 - ein wahrlich nicht unterschätzender und zusätzlicher Reiz.

.. und da ganz alleine reisen ja irgendwie doof ist, und ich wusste dass Freund Tom aus Berlin schon seit einiger Zeit auf der Suche nach einem Tauchpartner war, mit dem er einen Grundkurs belegen konnte, lud ich ihn ein mich zu begleiten – einen kleinen Gefallen war ich ihm eh noch schuldig.

Nachdem über das Reisebüro meines Vertrauens zügig ein scheinbar gutes Hotel gefunden  und der Termin mit Andy abgestimmt war, wurde die Reise gebucht. Das Hotel „Grand Resort“ in Hurghada war im Übrigen nicht nur vom Katalog her eine sehr gute Empfehlung.

Die Anlage ist zwar relativ groß, dennoch fühlt man sich durch das viele Grün und diverse architektonische Finessen sehr wohl. Auch die Pool-Landschaft ist sehr großzügig und abwechslungsreich gestaltet. Am zweiten Tag hatten wir dann auch eines der vielen kleinen Restaurants entdeckt und konnten so der Massenabfertigung im „1000-Seelen-Saal“ entfliehen. Das Essen im Grand Resort ist wirklich hervorragend und dazu sehr abwechselungsreich.

Einzig die ersten beiden Nächte waren grausam, da unser Zimmer direkt gegenüber einer kleinen Bühne lag, von der ein im doppelten Sinn sehr engagierter ägyptischer Karaoke-Sänger mit sonorer und zugleich massiv monotoner Stimme über Stunden (vergeblich) versuchte sein Bestes zu geben. Nach einer deutlichen Beschwerde am zweiten Tag, bekamen wir ein wunderbar ruhiges Zimmer im gegenüberliegenden Teil der Anlage.

Der Flug nach Hurghada ist mit 4 Stunden relativ kurz, das Wetter traumhaft, das Wasser ist kristallklar und 25 – 28 Grad warm und der Himmel ist fast durchgehend  blau – was will man aus dem tristen norddeutschen Herbst-Grau kommend mehr...

Mit Andy hatten wir für Montag Morgen um 8:00 h einen Termin vereinbart. So konnten wir nach der Ankunft Samstag Nacht noch den Sonntag zum akklimatisieren und relaxen genießen.

.. wie es sich gehört – der Benz wartet mit offenen Türen vor dem Hotel.. ( gegenüber übrigens das zur Anlage dazu gehörende Grand Hotel - zwar mit Strand, aber lange nicht so schön wie das „Resort“)

Pünktlich um 8:00 h (eine von Andy´s Tugenden) fuhr dann der gelbe (624) 200er an der Straße vor dem Hotel vor, um uns abzuholen. Andy war in Begleitung eines Freundes gekommen, der Teile seines Equipments prüft und ggfls. überholt.

Nach einer herzlichen Begrüßung gab es als Gastgeschenk noch ein kleines „/8-Überlebenspaket“: Ich hatte Andy einige Teile mitgebracht, die er für seinen 200er sicher gut gebrauchen konnte – unter anderem ein Lenkrad, denn seinem schaumstoffummantelten wollte er ursprünglich einen Kleber injizieren, um den fast vollständig abgelösten Schaumstoff wieder mit dem Metallring zu vereinen......

Die Überraschung war auf jeden Fall gelungen, und Andy hat sich sehr gefreut.

Nach der Begrüßung dann der erste Eindruck vom Strich 8: augenscheinlich auf den ersten Blick recht gut erhalten – auch wenn die wenigen Arbeiten, die gemacht worden sind, wenig Professionalität erkennen ließen. Zu dem war die Lackierung nicht das gelbe vom Ei – auch wenn es original 624 ist, und somit dem Eigelb schon sehr nahe kommt.

Dann aber ging es los und während der recht kurzen Fahrt zur Tauchbasis offenbarten sich dann die von mir schon befürchteten Mängel:

  • das Fahrwerk war ziemlich „ausgelutscht“ und hatte diesen Namen nicht mehr wirklich verdient
  • die Lenkung war zudem relativ ausgeschlagen und die Stellung des Lenkrades bei Geradeausfahrt „irgendwo“..

Da die Zeit morgens ziemlich knapp war, hatten wir (Tom kennt sich in den meisten Bereichen mit der Materie Strich 8 mindestens so gut aus wie ich..) beschlossen, den Benz am Abend zu inspizieren, um dann daraus eine „muß/sollte-Liste“ zu erstellen, so weit es unter den Gegebenheiten vor Ort ohne Hebebühne eben möglich war.

Um diese Story etwas abzukürzen, lasse ich die Ereignisse rund ums Tauchen mehr oder weniger aus – am Rande nur so viel: wer vor hat auch tauchen zu lernen, sollte dieses unbedingt auch in die Tat umsetzen – ich jedenfalls möchte die vielen Eindrücke der Unterwasserwelt nicht missen und freue mich jetzt schon auf die nächsten Tauchgänge.

Der erste Tag auf dem Boot - vor allem mit den beiden „Schnupper-Tauchgängen – war in Summe ganz schön anstrengend so daß wir anschließend nicht mehr sonderlich viel Lust verspürten uns den Strich 8 noch anzusehen. Uns war viel lieber nach einem schönen kühlen „Blonden“ – denn der Tag war lang und an Bord gibt es selbstverständlich keine Art von Alkohol. Der Weg von der Tauchbasis zur nächsten Kneipe war mit geschätzten 100 m recht überschaubar und zu unserer Freude wurden zum kühlen Bier auch noch gekühlte Gläser serviert. Und obwohl der Strich 8 in Sichtweite stand, ging es nur noch darum, die beiden Tauchgänge in badewannen-warmen und kristallklarem Wasser noch mal Revue passieren zu lassen und sich über die fantastischen Erlebnisse zu unterhalten.

Abschließend verabredeten wir uns mit Andy für den nächsten Morgen um die gleiche Zeit, was aber für uns aber zur Folge hatte, dass das Frühstück im Hotel wieder im Eiltempo eingenommen werden musste. Um 8:00 h schon am Boot sein zu müssen ist im Urlaub einfach die falsche Zeit ;o))

An Bord gibt es zwar Mittags eine warme Mahlzeit – aber bis da hin ist es dann doch ein wenig lang ohne etwas im Magen – zudem verbrennt Tauchen viel Kalorien.

Suchbild: .. wer genau hin schaut, wird mindestens 2 Strich 8er entdecken..

Nachdem „Mäxle“ uns dann auch am nächsten Tag wieder standesgemäß und sicher zur Tauchbasis brachte, machte ich mir gleichzeitig im Kopf schon mal erste Notizen für die anstehende „muß/sollte-Liste“.

Manchmal ist es gar nicht so ganz einfach eine solche Liste zu erstellen, denn die Ansprüche der Besitzer an ihre Fahrzeuge sind schon recht unterschiedlich. Außerdem macht es oftmals schon aus rein wirtschaftlichen Gründen keinen Sinn, aus dem jeweiligen „Ist-Zustand“ ein „Zustand-2-Fahrzeug“ machen zu wollen.

So natürlich auch im Falle von „Mäxle“ (den Namen für seinen Benz hat Andy übrigens von seinem Vater übernommen, dessen Strich 8 damals den gleichen Namen hatte – „Max“ wurde/wird er nur genannt, wenn der Benz mal wieder zu sehr „rumzickt“ ). Mäxle unter ägyptischen Bedingungen in einen für deutsche Verhältnisse wirklich guten Zustand zu versetzen ist schon alleine wegen der völlig unzureichenden Ersatzteilversorgung nahezu unmöglich. Ganz abgesehen von der Tatsache, dass es dort vor Ort niemanden gibt, der sich mit der Materie Strich 8 wirklich auskennt. Daß es in Hurghada jemanden gibt, der z. B. den Silentbuchsen der Vorderachse überhaupt Bedeutung schenkt wage ich zu bezweifeln – aber diesbezüglich habe ich in Deutschland auch schon sehr „grausames“ gesehen.

Auch ist es in Regionen, in denen es so gut wie nie regnet, nicht unbedingt von primärer Wichtigkeit, definitv  marode/undichte Scheibendichtungen zu erneuern.

Trotz dem gab es natürlich letztendlich, wie sich dann am Abend herausstellen sollte, eine Menge zu tun, um das Fahren für Andy in Zukunft grundsätzlich angenehmer zu machen.

Wie schon vermutet, war das Fahrwerk fast komplett hinüber: die Silentbuchsen der Vorder- und Hinterachse waren nur noch fragmentös vorhanden, so dass sich beim Fahren, jedes noch so kleine Schlagloch direkt auf die Karosserie übertrug und einem bis in die Knochen ging.

Auch die Stabi-Gummis („..welche Stabi-Gummis? – braucht man die..?) waren hinüber – gleiches galt für die Stoßdämpfer/Federn-Kombinationen!

.. das Lager der VA hl ist so verschlissen, dass die Achse schon direkte Verbindung mit dem Rahmen hat..

Das Kabel für die Kaltstartautomatik hing ohne Stecker im Motorraum herum (braucht man ja auch nicht bei 40 Grad im Schatten) – gleiches galt für die Vergaserendabschaltung (.. und die mach, wenn vorhanden, immer sinn!) Dass laufend Benzin aus dem Vergaser tropfte ist bei den dortigen Kraftstoffpreise wahrscheinlich auch eher nebensächlich. Die gesamte Zündung befand sich in einem desolaten Zustand (erstaunlich dass überhaupt noch Zündfunken kamen) - alleine die Reinigung der Verteilerkappe brachte schon eine kleine Besserung. Der Lüftungswasserkasten war schon als der Wagen noch auf deutschen Straßen unterwegs war, recht dilettantisch vom Motorraum aus zugeschmiert worden – was nebenbei gesagt ja totaler Blödsinn ist, da das oben einlaufende Wasser und nur noch nach innen ablaufen konnte... – aber da es in Ägypten ja nicht regnet...

.. das Kabel zum Vergaser ist schon länger gekappt, der Lüftungswasserkasten ist zugeschmiert und die Ventildeckeldichtung hat die besten Zeiten auch schon lange hinter sich..

Ohne entsprechendes Werkzeug und Messinstrumente war eine weitere Optimierung vor Ort leider nicht möglich. Wir besprachen mit Andy die offensichtlichen Schwachstellen und ich notierte sie dabei stichpunktartig. Gleichzeitig machte ich mir noch eine Liste mit den Teilen, die ich Andy dann aus Deutschland zuschicken wollte.

Bei näherer Betrachtung stellte sich dann heraus, dass die Karosserie bis auf den Lüftungswasserkasten und die hinteren Radläufe/Endspitzen eigentlich ziemlich gut war. Die Schwellerendspitzen und die Chassis/Achsbleche waren bis dato ungeschweißt und richtig gut. Gleiches galt für den Rest des Unterbodens.

.. Schwellerendspitze/ Wagenheberaufnahme hl in unverbasteltem Original-Zustand – auch das Achs/Chassis-Blech ist unbehandelt – einzig ein Wasserablaufloch für den Innenradlauf ist (wahrscheinlich schon ab Werk) dicht..

Alles in Allem konnte man aber sagen, dass der 200er –gerade für ägyptische Verhältnisse- in einem ziemlich guten Zustand war, was die Grundsubstanz anbelangt. Die „Lackierung lasse ich jetzt mal außen vor– auch wenn ich mich heute noch frage, wie man das für umgerechnet 72,- € machen kann...

.. Ergebnis einer 72,- € - Lackierung in Ägypten..

Dass die Innenausstattung unter der Sonne Hurghadas weiter leiden und das Armaturenbrett weitere Risse bekommen würde, ist vorhersehbar. Dennoch wird Andy sicherlich noch viele Jahre Freude damit haben ein Stück deutsche Kulturgeschichte auf den Straßen Hurghadas zu bewegen. Der Strich 8 ist auf jeden Fall auch dort ein „Hingucker“!

Nicht umsonst wurden Andy von Einheimischen auch schon deutlich über 5.000,- € für das Fahrzeug geboten – ein alter Mercedes hat nach wie vor einen hohen Stellenwert in Ägypten.

Trotzdem konnten wir dort in der Zeit unseres Aufenthaltes außer einem ungepflegten, aber blechtechnisch scheinbar gar nicht so schlechten 108er keine weiteren Oldtimer mit Stern sichten – auch Andy sieht eher selten welche – vereinzelt gibt es noch 123er, aber auch ein weiterer Strich 8 wurde aus der Ferne schon gesichtet.

.. Andy´s 200er im abendlichen Hurghada neben einem 108er..

Das Straßenbild war geprägt von Fahrzeugen asiatischer Herstellung. Aber auch unkaputtbare luftgekühlte Langhauber verrichten dort als Frischwasser-Transporter noch ihren Dienst.

.. einer von mehreren Langhaubern - auch nach Jahrzehnten immer noch im Einsatz..

Nach einer tollen Woche mit bestandenem OWD (Open Water Diver)-Schein und insgesamt 8 unvergesslichen Tauchgängen im Roten Meer nahmen wir Abschied von Hurghada, Andy und Mäxle. Es war ein wirklich schöner, obgleich viel zu kurzer Urlaub, der auch –oder gerade wegen- der Kombination „Tauchen und Strich 8“ empfehlenswert ist.

Zum Schluß noch einige Daten von dem 200er – vielleicht erkennt ihn ja der ein oder andere wieder – witzigstenfalls wäre einer der Leser der ehemalige Besitzer von „Mäxle“

  • W 115 – 200 Benziner – Bj. 1975
  • Fahrgestellnummer: 115015-10-274613
  • Farbe: 624 gelb – innen MB-Tex beige
  • SA-Codes:
  • 424 – mech. Getriebe/Mittelschaltung
  • 542 – Handschuhkasten verschließbar
  • 687 – Typenschild mit Baujahrangabe (..für was es alles Codes gab...)
  • Letztes Kennzeichen in Deutschland: HN – KU 537

 

Und für alle, die interessiert daran sind in Hurghada in professioneller Begleitung tauchen zu gehen, bzw. zu lernen und dabei nach Absprache von Andy in einem Strich 8 vom Hotel abgeholt zu werden:

www.tauchen-in-hurghada.de

Autor: Ralf Kühl, Treffpunkt Strich 8
www.treffpunkt-strich-8.de